Ich bin auch durch. Doppelt so gut wie die Walking Dead auf jeden Fall (Rechtfertigung gleich

), aber, natürlich, was will man von einem traditionellen Adventuralisten wie mir jetzt erwarten, Begeisterung hat es nicht hervorgerufen.
Dabei wäre das Fables-Spiel gegenüber der Zombie-Soap durchaus hervorragend geeignet gewesen, mehr in eine Rätselrichtung zu stiefeln: Immerhin hat der Sherriff eine ganz schöne Ermittlungsarbeit zu absolvieren. Hier kuscht Telltale vor seiner neuen Zielgruppe, und ich bin fest davon überzeugt, dass das ursprüngliche Stemmle-Konzept ein etwas anderes war. Zum Beispiel die wunderschöne Szene in der Bibliothek, die den Unterschied der gestrigen Märchenwelt und der heutigen 'realen' Situation herausstellt, wäre durch etwas echte Ermittlungsarbeit des Spielers erst perfekt geworden.
Sogar ein Inventar gibt es - genutzt wird es nicht. Fünf hübsche Dinge hatte ich bis Spielende eingesammelt, die aber haben traurigerweise blosen Symbolcharakter, sind nur eine Erinnerung an Dinge, auf die man irgendwann in der Episode mal geklickt hat. Ich habe eine (1) Möglichkeit gefunden, einen der Gegenstände 'einzusetzen'. Natürlich gänzlich ohne dass ich selbst einen "Kombinationsversuch" hätte unternehmen müssen. Es wirkt auf mich wie ein mutwillig kastriertes Spielsystem, das jede Einforderung von Leistung des Spielers peinlichst zu vermeiden sucht. Du klickst auf den richtigen Hotspot und das Spiel geht weiter. Und sollst dankbar sein, dass es Hotspots gibt, auf die du nicht klicken MUSST. Das reicht nicht, das reicht einfach nicht.
Die "Klick dich durch"-Philosophie wird einzig unterbrochen von den QTE-Kampfsequenzen. Während Telltale in The Walking Dead noch irgendwie eingesehen hat, wie sinnlos die Dinger sind, und man routiniert meistens nur QQQQQQQQQQE durchdrückte, ist The Wolf among Us jetzt wieder ungeniert auf dem Weg in die Urzeit (zu Jurassic Park). Die besseren QTEs sind noch die, wo man einen Hotspot mit der Maus schnell genug finden muss; die 'Ausweich'-Sequenzen mit WASD und die 'Rangeleien' mit QQQ sind dann nochmal ein gutes Stück einfallsloser. Es tut mir leid, aber mit dieser Art Action werde ich mich niemals anfreunden können. Es ist nicht spannend, es hat mit Können nichts zu tun, es fordert mich nicht, selbst wenn ich dreimal am Stück verliere. Man lässt den Spieler während Cutscenes ein paar Knöpfchen drücken, das ist ein QTE.
Gottlob hat sich Telltale von der 'direkten Kontrolle' des Protagonisten noch nicht verabschiedet. Die ist sogar deutlich häufiger als in den Walking Dead. Die Umgebungen sind jedoch beschränkter denn je. Nicht nur die unsichtbaren Wände sind ein gravierendes Problem, nein, auch Telltales Unwille zu echten Kameraschwenks und -fahrten lassen die Orte im "Wolf among Us" zu blosen, beinahe zweidimensionalen Hintergründen verblassen. Der Eindruck eines 'Schaukastens' kam mir in Bigbys Abenteuer noch deutlicher vor als bei Lee Everett. Blose Puppenhäuser waren das, denen mindestens eine Wand fehlt. 3D kann mehr - und dem kinematographischen Anspruch, den Telltale nun mal haben WILL, wird das Studio so nicht gerecht.
Paladin hat geschrieben:Ich glaube ich weiß jetzt auch, warum ich die Episode nicht so toll fand, wie TWD. Es fehlt mir ein bisschen die Emotionalität, die TWD geboten hat, was aber nicht bedeuten soll, dass die Episode nicht gut war. Liegt also wohl eher am Setting und der Aufmachung.
"Faith" war sogar ausgesprochen emotional. Was den Walking-Dead-Liebhabern vermutlich fehlt, ist dieses ständig heraufbeschworene Gefühl, es ginge immer gleich um Leben und Tod. Das rechtfertigt bei den Charakteren so manche Rührseligkeit und unprovozierte Herzausschüttung, und sogar einige nicht so tolle Dialoge lassen sich durch die Extraportion Pathos gut verschleiern. Das fühlt sich für mich aber auch sehr vorhersehbar und repetitiv an. "Faith" hat sich Zeit gelassen mit der Exposition, und das war gut so. Die Charaktere haben ihr Herz
nicht auf dem Tablett vor sich hergetragen wie in TWD. Gefühle werden angedeutet, nicht sofort totgelabert. Das ist für mich die bessere Geschichte. Von Lee Everett und Clementine wussten wir alles Notwendige in Folge 1. Bigby wird noch ein paar Überraschungen für uns parat haben.
Insbesondere aber, und hier wird das Fables-Spiel der Zombie-Saga auch auf lange Sicht den Hintern blutig versohlen, passt diese ganze Entscheidungsmechanik viel, viel besser zum Setting. In TWD musste dem Spieler bei jeder Entscheidung suggeriert werden, es ginge jetzt um's Ganze, von dieser Entscheidung hingen Menschenleben ab, jetzt würde sich die ganze Zukunft in einem Augenblick neu gestalten. War aber natürlich nie der Fall, der Spieler fühlte sich belogen, er fühlte keine Konsequenz zu seinem Handeln. The Wolf among Us backt hier die kleineren Brötchen und kann so auch tatsächlich Auswirkungen zeigen, die der Spieler tatsächlich selbst heraufbeschworen hat (ohne Spoiler: am Ende der ersten Episode wird die 'Carley-Doug' Entscheidung aus TWD sehr schön gespiegelt; das Ergebnis wird in TWaU ohne Zweifel für den Spieler befriedigender ausfallen, weil Telltale die Erwartungen des Spielers nicht so maßlos hoch stapelt). Aufgebaute Beziehungen mit Charakteren werden vom Spieler langfristiger 'gefühlt', da sie nicht wie in TWD pro Episode im halben Dutzend wegsterben. Und insgesamt sind diese Beziehungen natürlich deutlich vielschichtiger, weil die Charaktere in Fables komplexere Motivationen haben als immer und immer nur "ich will überleben".