Gestern habe ich erneut das Rollenspiel
Evoland 1 durchgespielt habe (diesmal in der "Legendary Edition", die beide Teile zusammenfasst). Es beginnt wie ein sehr simples Gameboy-Spiel (4 Graustufen, simples Kampfsystem, kein Scrolling, kein Sound) und wandelt sich im Spielverlauf immer mehr in ein moderneres Rollenspiel (je nach Gebiet schwankt es zwischen einem rundenbasierendem Kampfsystem à la Final Fantasy, einem Zelda-ähnlichen Action-Adventure und einem Diablo-ähnlichen Action-RPG).
Nicht nur die Präsentation verändert sich in dem Spiel (4 Graustufen -> 16 Farben -> scrollende Grafik statt umschalten zwischen Standbildern -> 256 Farben -> SNES-ähnlicher "Mode 7" in der Oberwelt -> höhere Auflösung -> 3D-Modelle auf 2D-Hintergründen -> vorgerenderte Hintergründe wie bei Final Fantasy 7 -> 3D Grafik auch für die Hintergründe -> bewegliche Kamera, z.B. Close-Ups bei Truhen-Öffenen -> bessere Texturen -> Licht- und Schatten-Effekte...), sondern auch die Spielmechanik und nicht mehr wegzudenkende Features werden nach und nach freigeschaltet (mehrere Schadensstufen statt Tod nach einem Treffer, verschiedene Waffen, NPCs, Häuser betreten, zusätzliche Party-Mitglieder, Spezial-Attacken, Interface-Veränderungen...) .
Im einem Dorf ist dann das CD-Zeitalter erreicht... mit Ladezeiten zwischen den vorgerenderten Hintergrundgrafiken... beim ortsansässigen Händler kann man dann in ein schnelleres CD-ROM investieren, was die Ladezeiten wieder wegfallen lässt. Auch andere bereits vergessene Trends werden humorvoll eingebunden.
Langer Rede, kurzer Sinn: ich hätte liebend gerne ein "Evoland Adventure"!
Mit dem Thema wurde zwar bereits in einigen Adventures gespielt (z.B. das Textadventure-Intro von
Labyrinth, das Spiel im Spiel installieren und starten bei
Companions of Xanth, das Text-Adventure-Downgrade in
Sam & Max: Reality 2.0, eine Sequenz in
Thimbleweed Park, LeChucks Rätselübungen in
Tales of Monkey Island und die Zeitreise in
The Book of Unwritten Tales 2), aber ich würde mich extrem über ein Adventure freuen, das diese Entwicklung von vorne bis hinten durchzieht. Auch die Story könnte sich um die Entwicklung des Adventure-Genres drehen, wäre aber nicht zwingend.
Den Ablauf stelle ich mir ungefähr so vor:
- Das Spiel beginnt als Texadventure mit sehr simplem Zwei-Worte-Parser... die Befehlskette "GET LAMP" müsste natürlich unbedingt darin vorkommen. Monochromer Textmodus, Buchstaben nur in Großschrift, kein Ton (auch wenn der Urvater des Genres
Colossal Cave / Adventure" teilweise auch längere Befehle erforderte)
- bei Eingabe von "GET LAMP" oder "TAKE LAMP" erste Achievement-Mitteilung:
"Freigeschaltet: Inventar"
- bei Verlassen des ersten Raums, wird das Speichersystem freigeschaltet... Abspeichern wird an dieser Stelle zwingend vom Spiel verlangt
- der zweite Raum hat drei weitere Ausgänge. Tür 1 führt zum sofortigen Ableben
"Freigeschaltet: Todessequenz", Tür 2 in eine sackgasse ohne Rückkehr
"Freigeschaltet: Sackgasse", und bei Tür 3 geht es normal weiter (der Rest des Spiels enthält keine weiteren Sackgassen)
- erste Komfortfunktionen werden freigeschaltet: Abkürzungen werden akzeptiert, z.B. I für Inventar, L für Look und N, E, S, W, U, D für die Himmelsrichtungen
- erster NPC/NSC (Nicht-Spieler-Charakter) wird freigeschaltet, dieser erzählt etwas, Dialoge sind aber noch nicht möglich
- Groß- und Kleinschreibung für bessere Lesbarkeit wird freigeschaltet, evtl. farbliche Hervorhebung wichtiger Wörter
- simple Dialoge / Interaktionen mit NPCs werden freigeschaltet (Ja, Nein, Gegenstände geben)
- einfarbige Strichgrafiken (ähnlich
Mystery House) werden freigeschaltet, die die obere Bildschirmhälfte füllen
- komplexerer Parser wird freigeschaltet (Infocom-Niveau wäre optimal), inklusive Komfortfunktionen wie "again", "get all", "it/him/her" (Bezug auf vorher verwendetes Objekt oder Subjekt), per Cursor-Tasten durch vorherige Befehlsketten blättern
- vierfarbige Grafiken mit befüllten Flächen (ähnlich der
Silicon-Dreams-Serie) werden freigeschaltet
- PC-Pieps-Geräusche werden freigeschaltet
- achtfarbige Grafiken mit Dithering (ähnlich
Death in the Caribbean) werden freigeschaltet, Grafikfenster nimm 3/4 des Bildschirms ein, Textbereich nur noch 1/4
- erste Musikausgabe über den simulierten PC-Speaker wird freigeschaltet
- einblendbare Kartenfunktion wird freigeschaltet (besuchte Räume werden als kleine Rechtecke mit Verbindungsstrichen zur besseren Übersicht angezeigt)
- EGA-Grafik 16 Farben wird freigeschaltet, Textbereich schrumpft auf eine Eingabe-Zeile, Protagonist per Cursor-Tasten steuerbar, Text-Ausgabe per Overlay-Fenster (ähnlich
King's Quest I)
- Maus-Cursor wird freigeschaltet, zunächst nur um Zielpunkt für den Protagonisten festzulegen, vorerst keine Wegfindung, restliche Eingaben weiterhin per Tastatur
- Musikausgabe auf Adlib-Niveau wird freigeschaltet
- Grafikbereich schrumpft zugunsten der Textanzeige von Befehlsverben und Inventar, ähnlich
Zak McKracken; dieser Bereich wird auch für Dialoge mit NPCs genutzt
- Umschalten zwischen mehrere Charakteren und Interaktion zwischen diesen wird freigeschaltet (ähnlich
Maniac Mansion), wenige Rätsel/Minuten später dem Spieler aber auch wieder entrissen, ab da gibt es maximal einen NPC-Begleiter für Dialoge
- erste Zwischensequenz wird freigeschaltet und abgespielt
- VGA-Grafik 256 Farben wird freigeschaltet, Anzahl der Befehlsverben schrumpft, Inventargegenstände wandeln sich von Textbeschreibungen zu Piktogrammen
- Musikausgabe auf Soundblaster-Niveau wird freigeschaltet
- Sprachausgabe wird freigeschaltet, allerdings in Kombination mit Ladebildschirmen bei Ortswechsel
- in einem Rätsel löst man eine Handbremse oder startet einen Turbo oder so und die Ladebildschirme verschwinden wieder

- Befehlsverben fallen zugunsten eines größeren Grafikbereichs weg, Umschalten durch die Standardaktionen per rechten Mausklick (aktive Aktion ist dem Maussymbol zu entnehmen, wie in den Sierra-Spielen), Inventarsymbole bleiben vorerst dauerhaft sichtbar am unteren Bildrand.
- SVGA-Grafik 256 Farben wird freigeschaltet (ähnlich
Baphomets Fluch 1), evtl. mit Anzeige von Charakterportraits in Dialogen wie in dessen
Director's Cut oder in der SVGA-Version von
King's Quest VI
- weitere Vereinfachung auf nur noch zwei (kontextsensitive) Aktionsmöglichkeiten: Linksklick und Rechtsklick; Inventarleiste wird zugunsten einer Vollbilddarstellung des Grafikbereichs standardmäßig ausgeblendet und nur bei "Mouse-Over" eingeblendet
- Hintergrundmusik wird orchestral eingespielt (okay, das könnte den finanziellen Rahmen etwas sprengen)

- multilinguale Versionen werden freigeschaltet, bis zu diesem Punkt musste man sich für eine Sprache entscheiden
- jetzt kommt der Wendepunkt in der Handlung des Spiel, in dem es drunter und drüber geht... durch ständig wechselnde Grafikstile wird die beabsichtigt Verwirrung verstärkt (Willkommen in der experimentellen Phase Mitte der 1990er)
- Spiel wechselt in die Ego-Perspektive mit vorgerenderten Standbilder und einkopiertem Videomaterial (ähnlich
Myst) und
Riven
- Grafikstil ändert sich (für wenige Minuten) erneut in einen Mix aus digitalisierten Fotos uns einkopierten (Laien)-Schauspielern, ähnlich
Phantasmagoria und
Gabriel Knight 2
- Protagonist bleibt unverändert einkopiertes Videomaterial, die Umgebung verändert sich aber (für wenige Minuten) 2D-Cartoon-Grafik (ähnlich
Toonstruck)
- Cartoon-Grafik bleibt, allerdings erneuter Schwenk in die Ego-Perspektive einer klassischen 3D-Engine (ähnlich
Normality)
- bessere 3D-Engine wird freigeschaltet, allerdings schrumpft der Grafikbereich etwas zugunsten des Interfaces und der angestiegenden Hardware-Anforderungen (ähnlich Tex Murphy's
Under a Kiling Moon
- 3D-Grafikbereich wächst wieder auf Vollbildgröße an, Wegfall von einkopiertem Videomaterial (ähnlich
Gabriel Knight 3)
- die Bewegungsmöglichkeiten werden durch einen Umstieg auf eine günstigere "Pseudo-3D-Engine" (360 Grad umschauen auf festen Positionen, ähnlich der Cryo-Interactive-Spiele, z.B.
Atlantis und
Egypt)
- nach dieser turbulenten Sequenz geht es wieder ruhiger weiter, einige Innovationen werden zurückgefahren
- Abkehr von der Ego-Perspektive und Wechsel auf vorberechnete Hintergründe in 3D-Perspektive mit Polygon-Modellen (ähnlich
Grim Fandango und
Syberia)
- Rückkehr zu klassischen 2D-Hintergründen mit einblendbarem Inventar, Polygon-Modelle bleiben aber erhalten (Etablierung dieses 2.5D-Grafikstils in etlichen Adventures, z.B.
The Longest Journey,
Black Mirror und
Geheimakte Tunguska)
- Hotspot-Anzeige wird freigeschaltet... von vielen Adventure-Profis damals belächelt, aber mMn vollkommen legitim, um größere Zielgruppen zu erreichen (so lange die Anzeige optional bleibt)
- weitere "Vereinfachung" auf Ein-Klick-Steuerung wird freigeschaltet (der Versuch, zusätzliche Zielgruppen zu erreichen, denen zwei Knöpfe zu Komplex sind)
- Rückkehr der 3D-Engines, diesmal aber mit kontrollierten Kamera-Schwenks (ähnlich der
Ankh-Serie und der
ersten Telltale-Adventures)
- Gamepad als Eingabegerät wird freigeschaltet, inklusive Spiele, die davon profitieren (z.B.
Dreamfall und
Telltale-Adventures)
- Entscheidungen und daraus resultierende Storyverzweigungen werden freigeschaltet (ähnlich
Fahrenheit oder
Heavy Rain)
- Bei den Entscheidungen endet dann auch das Hauptspiel... hier kann der Spieler entscheiden, auf welcher Schiene es weitergehen soll (2D-Pixel oder 3D-Polygone, Ego-Perspektive oder Third Person, Maus oder GamePad)... anhand der am häufigsten gewählten Entscheidungen wird die Priorität der DLC-Entwicklung festgelegt.
