@Möwe:
Leider hat meine Uni meinen Namen raus gegeben. Mehrere Radiointerviews und ein Fernsehauftritt waren die Folge, ohne das ich das Ereignis selber live erlebt habe. Kurz vorher war halt mein Flug. Ich hatte halt nur Kontakt mit ihnen zu dem Zeitpunkt. Da ich mich nicht als so wichtig erachte, wollte ich allgemein bei dem Thema lieber schauen, das ich mich um meine Freunde drüben kümmere, als im Internet noch bei Diskussionen teilzunehmen. Jetzt habe ich den Vorsatz aber einmal gebrochen, da kann ich auch weiter machen.
Genau so hatte ich das Buch auch in Erinnerung, aber gut, diese Änderungen im Schreibstill konntest du nicht kennen.
Japan unterscheidet sich übrigens stark von der Stadt und Landbevölkerung und auch von den Reaktionen. In Tokyo, Kyoto und Osaka ist man einer von vielen. Die Leute kümmern sich schon um die Ausländer, die meisten leben aber in ihren Bevölkerungsenklaven. Viele Ticks der Japaner sind bei ihnen auch nicht so stark wie das in anderen Regionen ist. Man ist fast verwestlicht.
Dann gibt es kleine Städte wie Sendai, Hachinohe oder auch Kobe. Ausländer sind selten und die Leute reißen sich um einen. Man steht verwirrt an einer Ecke, die Japaner kommen sofort um zu helfen. Konversationspartner? Kein Problem man hat x- Anfragen ohne zu suchen. So haben meine Nachbarn im Fußballstadion gleich in die Familie aufgenommen. Jedes Mal wenn ich das Stadion betrat kamen ihre kleinen um mich zu ihren heutigen Standplatz zu bringen und man tauschte Süßes und Fußballweisheiten aus. Auch das Grüßen von ganzen Schulklassen ist eher in diesen Regionen gegeben (sie kommen und holen ihr Englisch raus, also immer schön Hello antworten). Auf dem Land ist man dann immer Außenseiter und man merkt das extrem, trotzdem sind die Menschen da sehr gesellig, wenn man sie erst mal soweit hat. Schokolade hilft übrigens immer ;-P.
Aber vielleicht zu ein paar echten Ticks der Japaner, die aber nur aus Deutscher Sicht anders sind. Um nicht anderemit ihren Krankheiten anzustecken desinfiziert man an Hauseingängen seine Hande und trägt Masken, um die Bazillen nicht zu verbreiten, aber um trotzdem arbeiten zu können. Die Angst vor Krankheiten ist riesig, so saß ich eines Tages neben jemanden der am nächsten Tag zu Hause bleiben musste und mein Prof meinte nur zu mir ich solle am nächsten Tag frei machen, sollte ich mich nur leicht unwohl fühlen.
Eine andere Sache ist, das man Geschenke nicht vor dem Schenker öffnet. Die eigene Reaktion könnte nicht richtig sein. Aus diesem Grund werden Geschenke später geöffnet, oder immer gefragt, ob man sie öffnen darf. Auf jeden Fall bekommt man aber ein gleichwertiges, zumindest aber eines vom halben Wert zurück. Meist übertreffen sie einen dann aber. So habe ich einem Mitbewohner immer mal etwas zu Essen gegeben und zum Geburtstag einen Schnaps und zu meinem gab es dann auf einmal einen leichten Kimono von ihm.
Die Uni läuft auch etwas anders ab. man hat sogenannte Kenkyshitsos. Büros, wo sich die Fakultätsmitglieder treffen und arbeiten und Spaß haben. Ein Kumpel baute da abends schnell die Tonanlage auf um ein Lied aufzunehmen, ein anderer schrieb in seiner Freizeit zusammen mit einer Mitstudentin ein Buch, andere übernahmen die Rechtschreibkontrolle und unser oberster Prof und der Assistent übernahmen das Binden und Drucken für sie. Ich hab zwar auch eine Version davon, leider dürfte das Lesen aber bis zu meinem Lebensende dauern, da ich bei Kanji ziemlich stark versage. Da die Wohnungen der Japaner ziemlich klein sind, nehmen sie auch nie jemanden mit zu sich nach Hause und das Leben spielt sich auf der Arbeit oder in Kneipen ab. Ich würde sagen Japanische Studenten Arbeiten nicht mehr als wir, sie verteilen die Arbeit nur stärker und lenken sich besser ab. Ein Deutscher Arbeitet 4 Stunden am Stück und hört dann auf, ein Japanischer Student Arbeit 10 Stunden, hatte zwischendurch aber ein Go Spiel, hat das Internet gecheckt, ein paar Kaffeepausen und eventuell sogar kurz Fernsehen geschaut. Wenn es mit Büro oder Uni zu viel wird, gehen die meisten dann essen und immer in Begleitung. Ich kenne viele die nur im äußersten Notfall mal selber kochen, sondern die meisten Tage irgendwo ein Restaurant unsicher machen. Durch dieses Vorgehen ist das Gemeinschaftsgefühl aber auch viel größer. Es geht sogar soweit, dass Alumi später ihren Kohei (jüngere Studenten) bei der Jobsuche behilflich sind, da man noch ein Gefühl der Verpflichtung der Uni gegenüber hat. Auf jeden Fall sieht man sich halt täglich für viele Stunden, manchmal bestellt der Prof sogar Essen ins Büro und bezahlt für alle, oder der Assistent hatte den Gang in eine Sushibar vorgeschlagen und hat dann für alle 6 Leute die gegangen sind das bezahlen übernommen, schließlich hatte er ja den Vorschlag gemacht. Dadurch kennt man aber alle Charaktereigenschaften seiner Mitstudenten und macht auch so viel mehr mit ihnen. Eine Sache die ich in Deutschland in den meisten Fakultäten vermisse.
Die Frage die man von den meisten Japanern übrigens momentan hört, ist nicht etwa wie sieht es in Fukushima aus, sondern bist du raus gekommen? Ja? Zum Glück. Die Ausländer sind Gäste im Land (macht euch gar nicht erst die Hoffnung in der Umgebung von Japanern zu zahlen, meist wollen sie es übernehmen und man muss schon gut sein, um mal die Rechnung der anderen zu übernehmen) und ihnen muss es gut gehen. Die Japaner sehen nur ihr eigenes Land und wüssten gar nicht wo sie hin sollten. Es gibt deshalb auch die Geschichte, das Ausländische Auslandsaufenthalte sich meist in der Form "Spaß-Gewöhnung-Tief(nach halben Jahr)- ansteigen- hoch - Land verlassen entwickelt, während es bei den Japanern in der Form Tief- ansteigend (halbes Jahr)- hoch (aber nicht so hoch wie Japan) entwickelt. Das ist überspitzt dargestellt und trifft nicht auf alle zu, ich kenne aber genug Fälle wo das Vorurteil auch zutrifft. Sind sie dann zurück, sind sie meisten aber auch sehr von den japanischen Regeln genervt. Ein sehr ambivalentes Verhalten. Auf jeden Fall ist ihr Blickwinkel auf die Situation momentan deshalb auch ein ganz anderer. Gleichzeitig vertrauen sie auch ihren Medien, weshalb man sich auch nicht so viele Sorgen macht. Hier mal ein Beitrag der von einer guten Freundin geschrieben wurde, die ein Jahr lang in Deutschland gelebt hat, einen deutschen Freund hatte und deshalb auch ziemlich gut in Deutsch ist:
http://www.taz.de/1/leben/alltag/artike ... ngemessen/ . Da Ausländer nun Gäste sind, wird ihnen auch besonders bei der Katastrophe geholfen. man hat wege gefunden um sie aus der Region zu bringen, sie schnell mit Lebensmitteln versorgt und auch ansonsten sich stark um die Leute gekümmert. So kommen halt auch fälle wie das bezahlte Flugticket was oben beschrieben wurde dazu.
Falls ihr fragen über die japanische Kultur habt, stellt sie gerne, ich versuche sie zu beantworten. bedenkt aber, das ich mich nur besonders gut in der Tohokuregion auskenne und viele der geschilderten Ereignisse meine Erlebnisse sind und deshalb nicht stellvertretend für das gesamte Land gelten müssen.
Ach und wenn ich noch einmal Greenpeace höre, der Supergau wäre schon da, dann bekomme ich einen Schreikrampf. Einen Tag nach dem Tsunami, ich habe noch nicht alle Freunde erwischt (habe ich bis heute nicht, die Familie vom Fußball die ich erwähnte fehlt noch) und im TV überall die Meldung vom Supergau, nur im Ausland weiß keiner davon. Bis heute ist es immer so, egal wo vom Supergau geschrieben ist, immer wird Greenpeace als die Informationsquelle genannt. Die sind über 10000 km entfernt und wollen wissen, was in Fukushima im Kraftwerk los ist. Nicht mal die Botschaften glauben das, aber unsere Qualitätsmedien berichten es als Tatsache. EIne frustrierende Situation, besonders wenn man in Sorge um die Freunde ist.